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Ein neuer Umgang mit der Zeit

2016-04-03

Zeit fasziniert mich. Sie ist zuverlässig, exakt und einfach – sofern man Einstein mal kurz ignoriert. Eine genaue Zeitnahme verleiht dem Alltag „Stabilität“. Schon als kleines Kind mochte ich Digitaluhren, weil sie genauer sind. Es ist „13:38:21“ und nicht „der Zeiger da ist nahe an irgendwas dran“. Ich besitze heute eine solare Digitaluhr mit Funk. Das Ding ist präzise und wartungsfrei.

Ein Freund hat sich kürzlich eine Einzeigeruhr mit 24-Stunden-Ziffernblatt von Botta Design gekauft. Das ist so ziemlich das genaue Gegenteil von dem, was ich an einer Uhr mag. Dachte ich.

Zuerst ist es natürlich keine Digitaluhr. Ich kann nicht sagen, ob es jetzt 13:38:02 oder 13:38:47 ist. Das ist mir wichtig. Schlimmer noch als bei einer normalen Analoguhr – die ja schon einen Sekundenzeiger haben könnte, trotzdem finde ich das Ablesen schwieriger – zeigt die Uhr die vollen 24 Stunden an, wodurch sie eine deutlich geringere „Auflösung“ hat. Man kann nur raten und sagen, „jo, ist vermutlich zwischen 13:35 und 13:40 Uhr“.

Zweitens und drittens, es ist keine Funkuhr und ein Solarpanel hat sie auch nicht. Ich bin sehr faul. Ich will mich nicht darum kümmern müssen, ob die Uhr noch richtig geht oder ob da jetzt die Batterie leer ist.

Was ich aber wirklich mag, ist das 24-Stunden-Prinzip.

Diese Gelegenheit habe ich genutzt, um ein bisschen etwas über JavaScript und HTML-5-Canvases zu lernen. Also habe ich eine 24-Stunden-Uhr programmiert:

clock/

Die Uhr zeigt nicht nur die aktuelle Zeit an, sondern auch Sonnenaufgang, -höchststand und -untergang. Das geht natürlich nur, wenn das Skript deine Zeitzone und geographische Position kennt. Wenn du also nicht im groben Süden Deutschlands lebst, musst du noch Längen- und Breitengrad übergeben. Für Bangkok wäre das ungefähr sowas:

clock/?lon=100&lat=13

Das wird allerdings nur sinnvoll funktionieren, wenn du wirklich in Bangkok lebst, da das Skript deinen Browser nach der aktuellen Zeit fragt.

– Update 2023-11-10: Jetzt auch mit Geolocation vom Browser (dauert einen kleinen Moment):

clock/?geolocation=yes

Die Berechnungen des Sonnenstands sind nur grobe Schätzungen. Die stimmen nicht 100%ig. Das ist aber kein Problem, weil die Sonne ja nicht urplötzlich verschwindet und auftaucht. Dämmerungen dauern eine ganze Weile und die tatsächliche Helligkeit hängt ohnehin von Wolken ab.

Trotzdem kriegt man ein sehr gutes Gefühl für „Tag“ und „Nacht“.

Ich habe diese Uhr die letzte Woche über in einem Browserfenster nebenher laufen lassen. Ich war überrascht, zu bemerken, dass ich nun anders über die Zeit und Zeitmessung denke.

Zunächst ist es natürlich wichtig, dass man auf der Uhr den ganzen Tag sehen kann. Ein digitales „13:38:02“ ist nett und genau, aber man kann nicht auf einen Blick erfassen, wieviel vom Tag noch übrig ist. Man begreift auch normalerweise gar nicht so wirklich, was für einen Unterschied es macht, ob man nun um 21:00 oder um 23:00 Uhr ins Bett geht. Mit einer 24-Stunden-Uhr erhält man ein vollständiges Bild.

Die echte Botta-Uhr hat feste Bereiche für „Tag“ und „Nacht“. Mein Skript versucht hier, die Realität darzustellen. Das ist schon sehr nett. Bevor ich das Skript benutzt habe, wusste ich noch nicht einmal so richtig, wann Sonnenaufgang und -untergang überhaupt stattfindet.

Am wichtigsten ist aber: Ich interessiere mich nicht mehr so sehr für das „13:38 vs. 13:39“-Problem. Man muss das einfach nicht immer wissen. Manchmal muss das sein, ja. Aber das sind Ausnahmen. Eine 24-Stunden-Uhr ist wirklich genau genug, finde ich. Ich „sorge“ mich dadurch weniger. (Das ist bestimmt ein typisch deutsches Problem.)

Man stellt sich auch allerlei Fragen, wenn man eine 24-Stunden-Uhr einige Zeit lang benutzt hat. Warum unterteilen normale Uhren den Tag in zwei 12-stündige Phasen von 0 Uhr bis 12 Uhr und zurück? Warum nicht „Tag von 6 Uhr bis 18 Uhr“ und „Nacht von 18 Uhr bis 6 Uhr“? Warum überhaupt zwei Phasen? Wer hat sich das ausgedacht?

Beide Ideen, 12- und 24-Stunden-Uhren, sind schon sehr alt, wie ich dann gelernt habe. Warum aber ausgerechnet die 12-Stunden-Uhr – oder auch dieses elendige „AM/PM“-System – sich durchgesetzt hat, ist mir ein Rätsel.

Es ist leider recht schwer, solche 24-Stunden-Uhren zu kaufen. Ich habe keine einzige Wanduhr dieser Art gefunden. Hoffentlich wird sich das bald ändern und Hersteller werden nicht mehr so viele verschiedene Typen bauen müssen, wenn nun „Smart Watches“ immer beliebter werden. Die kann man frei programmieren und dann kann sich hoffentlich jeder selbst aussuchen, wie seine Uhr aussehen sollte.

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