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Mal wieder OS/2 Warp 4 installieren

2020-11-11

Wie wär’s mal mit einem „richtigen Blog-Post“? Einfach nur, was ich am Wochenende gemacht habe.

Heutzutage versuche ich, so viel freie Software wie möglich zu benutzen (Firmware-Blogs sind ein Problem) und darum geht es in diesem Blog auch hauptsächlich. Das war aber natürlich nicht immer so. Aufgewachsen bin ich mit DOS auf einem bernsteinfarbigen Monochrom-Bildschirm, dann kam Windows 3.0 und OS/2 2.1. Später dann sehr lange Windows 95, 98, 2000 und schließlich XP. Linux war da parallel installiert, aber es hat bis 2007 oder gar 2008 gedauert, bis ich die Dual-Boot-Umgebung endlich aufgelöst und Windows komplett weggeschmissen habe.

Irgendwann in den 1990ern gab es diese ganz kurze Phase, in der nicht so ganz klar war, ob Windows 95 wirklich „gewinnt“. (Oder vielleicht war das auch jedem außer mir klar.) OS/2 Warp 4 kam ungefähr 1996 auf den Markt und hat dann versucht, mit Windows 95 zu konkurrieren. Manche Stimmen behaupten, es sei Windows 95 technisch überlegen gewesen, aber großartig Fuß fassen konnte es trotzdem nicht.

Mehr zu OS/2 und seiner Geschichte gibt es im OS/2 Museum.

Ich habe damals einige Zeit mit OS/2 verbracht und daher die eine oder andere Erinnerung daran, aber ehrlicherweise muss ich auch sagen, dass ich da noch ziemlich jung war und keine „echte Arbeit“ damit erledigt habe. Wir hatten OS/2 damals im Original – aber ob man’s glaubt oder nicht, wir haben’s irgendwann in den Müll geschmissen, weil „das ja keiner mehr braucht“. Leider stimmte das sogar, denn Windows hatte ganz klar gewonnen. Erst viel später habe ich dann eine gewisse Nostalgie dafür entwickelt und den Müll-Einwurf betrauert. :) Seit etwa 2010 (laut meinen E-Mails) habe ich dann versucht, eine originale Box auf eBay zu kaufen. Oft probiert, immer die Gebote verloren, weil OS/2 Warp 4 heute eine Rarität ist und das erstaunlich viele Leute kaufen wollen. Eine Zeit lang hatte ich es sogar ganz aufgegeben, weil es – gebraucht und teilweise in schlechtem Zustand – für 150-200€ gehandelt wurde. Ziemlich irre. Eine Box mit OS/2 Warp 3 habe ich in 2016 ergattern können, was auch schon ziemlich cool war, denn das hatte ich ja früher auch in Betrieb vor Warp 4. Das hatte ich aber nur in QEMU installiert:

warp3.png warp3-qemu.png

In den letzten Tagen hatte ich’s dann nochmal mit Warp 4 probiert und hatte diesmal Glück:

warp4.png

So ein paar Sachen wie Seriennummern habe ich ausgegraut, weil ich paranoid bin. Kümmert aber wahrscheinlich niemanden. Ist jetzt nicht so, dass man diese Seriennummern als Bestätigung irgendwo eingeben muss – man kann das einfach installieren und glücklich sein.

So, es wäre jetzt langweilig gewesen, das auch einfach nur in einer QEMU VM zu installieren. Wie wäre es mit einer richtigen Installation auf meinem P133? Und dann mal schauen, wie viel der Hardware da mit OS/2 Warp 4 lauffähig ist.

Meine OpenBSD-Installation wollte ich jetzt natürlich nicht wegschmeißen, also habe ich in der Familie mal rumgesucht, ob noch irgendwo IDE-Festplatten rumliegen. Jup. Was nämlich toll ist an diesem alten Rechner:

drive-bay-1.png drive-bay-2.png

Die Haupt-Festplatte kann man einfach austauschen. :)

Vom Installationsprozess habe ich dann viele Fotos gemacht:

setup-part-1

Muss ich’s explizit erwähnen? Ja, die originalen Floppys von 1996 funktionieren noch. Die CDs auch.

Die Fotoserie da oben bricht an einem Punkt ab. Die Installation war aber noch nicht fertig. Problem war, dass das einfach einfror. Ich mutmaße, es lag daran, dass ich schon zu diesem frühen Zeitpunkt das Netzwerk einrichten wollte und dabei einen Fehler gemacht habe. Zum Netzwerk kommen wir gleich zurück. Tja, nagut, leider musste ich die ganze Installation dann nochmal wiederholen – denn das Teil bootete zwar, aber es fehlte eine ganze Menge. Beim zweiten Versuch hab’ ich dann das Netzwerk erstmal weggelassen und dann ging’s auch weiter:

setup-part-2

Dieser „Wirbel“ ist das erste, was man nach erfolgreicher Installation sieht.

Netzwerk

So, zum Netzwerk also. Das brauche ich wirklich, insbesondere während dieser ollen Pandemie, wo ich nicht in Läden nach Floppys oder CD-Rohlingen suchen will (außerdem sind Disketten heute unfassbar teuer). Ohne Netzwerk ist es einfach zu schwer, Dateien auszutauschen. Und sowieso macht Netzwerk Spaß.

Da ist eine PCI-Netzwerkkarte drin mit einem Realtek 8029AS-Chip. Die wurde als Upgrade später mal nachgerüstet. Ich bin jetzt nicht sicher, wann die auf den Markt kam, aber im OS/2 ist jedenfalls noch kein Treiber dafür dabei. Weil das Ding auch so alt ist, habe ich die originale Treiberdiskette natürlich nicht mehr. Und jetzt? Naja, im Internet danach suchen. Da landet man schnell bei OS/2 Site, wo es einen Haufen Treiber für Realtek-Karten gibt, darunter auch meine.

Wie kriege ich die jetzt auf den alten Rechner? Ein Diskettenimage mit Linux machen, was übrigens heute ziemlich einfach ist:

# dd if=/dev/zero of=floppy.img bs=1474560 count=1
# mkdosfs floppy.img
# mount -o loop floppy.img /mnt
# cp ...

Die alte Möhre ist jetzt der einzige Rechner hier, der überhaupt ein Diskettenlaufwerk noch hat. Also musste ich da wieder das OpenBSD booten, was schon funktionierendes Netzwerk hat, und damit das Image auf eine Diskette schreiben. Dazu muss ich natürlich die Festplatte nochmal tauschen, was ein bisschen lästig ist. Das Diskettenimage von iPXE hätte mir da helfen können, aber damit habe ich mich leider immer noch nicht auseinandergesetzt.

So ein, zwei Stunden habe ich mit den Realtek-Treibern rumgehampelt. Nichts hat funktioniert. Stellte sich dann raus, dass ich den Dialog von OS/2 einfach nicht verstand. Den hier:

net-dia.png

Da steht jetzt „RTL8029 PCI Ethernet Adapter“, das ist richtig. An dieser Stelle steht am Anfang sowas wie „Kein Netzwerkadapter“ – und diesen Eintrag muss man auf den richtigen Treiber ändern. Ich hatte aber immer einen Adapter hinzugefügt. DHCP war dann auf diesen „keinen Netzwerkadapter“ gebunden, was schon ein bisschen komisch ist. Da scheint es ein Dummy-Device ohne Treiber zu geben in der Situation. Das kriegt dann natürlich keinen Link und dann wird’s auch nichts mit DHCP. Ich hatte zwar schon Netzwerk in Warp 4 eingerichtet gehabt, aber an dieses Detail habe ich mich dann nicht erinnert.

Gut, wenn man’s richtig macht, klappt’s auch mit dem Nachbarn:

dhcp-works.png

Konnte mich aber trotzdem nirgendwo hin verbinden. Also mal tcpdump auf meinem Router gestartet. Die OS/2-Büchse schickte seltsame ARP-Anfragen, sowas wie:

Request who-has 10.0.161.1 tell 10.0.161.0

10.0.161.1 ist der Router, das ist schon richtig, aber 10.0.161.0 hätte 10.0.161.4 sein müssen. Keine Ahnung, was da los war. Bin dann von DHCP weg zu statischer IP-Konfiguration, was problemlos funktioniert.

net-works.png

Da ist ein Browser mit dabei und ein eigener Gopher-Client!

Wie üblich bei so alter Software kann man heute nur noch HTTP und Gopher damit benutzen. Quasi alle FTP-Server sind tot und die heutigen TLS-Algorithmen kennt die alte Software noch nicht. Ziemlich lästig, vor allem, wenn so ziemlich jede Webseite einen Redirect auf HTTPS erzwingt. Aus diesem Grund werde ich diesen Redirect bei mir jetzt auch mal abschalten. Wirkt sich wahrscheinlich auf irgendwelche Rankings aus, ist mir aber echt egal.

Noch ein paar mehr Fotos vom laufenden System, auch ein paar Netzwerkprogramme:

random-working

Man beachte den wundervollen gelben „WarpGuide“: Das war so ein „Overlay“, das einen durch die Einstellungsdialoge geführt hat. Eines der Dinge, die man sofort ausschaltet.

Oh, und das Foto mit dem ifconfig gesehen? Der Einfluss von UNIX ist überall sichtbar.

Videos

Nochmal was zu dieser Maschine. Wir haben den in 1996 gekauft, wann genau, weiß ich nicht mehr. Die CPU ist ein Pentium 133 und da sind heute 64 MB RAM drin (original 32 MB). Auf dem Rechner war Windows 95 vorinstalliert. Warp 4 kam auch in 1996 raus. Ich will darauf hinaus, dass das wirklich ein Rechner dieser Ära ist. Ja, es ist viel RAM drin, aber Warp 4 da drauf laufen zu lassen ist nicht wie DOS oder Windows 3.11, denn diese beiden Systeme sind viel älter und der Rechner schon ordentlich überdimensioniert. Ich kann mich noch daran erinnern, da damals Windows 3.11 installiert zu haben, was wirklich brutal schnell war.

Übrigens erzählt das BIOS was von 1997. Ich kann nur mutmaßen, dass ich da mal ein BIOS-Update gemacht habe. Wirklich keine Ahnung mehr.

Auf den Fotos oben ist auch zu sehen, dass die Grafikkarte (S3 Trio 64) von Warp 4 direkt erkannt wurde und auch schon ein Treiber dafür dabei war. Cool!

Wie fühlt sich Warp 4 denn jetzt auf der Kiste an? Ich hab’ ein paar Videos gemacht:

Das Hauptproblem ist eindeutig die I/O-Performance. Selbst heute sind Festplatten schnarchlahm im Vergleich zu SSDs. Und diese alte Platte da ist nochmal langsamer. Heißt dann, dass die Festplatte der Flaschenhals für alles ist und man die Aktivität des Rechners beurteilen kann, indem man ihm zuhört. Ziemlich knuffig eigentlich, das war viele, viele Jahre der Standard und ist heutzutage nicht mehr möglich.

Schnell ist das alles nicht. Fühlt sich schon zäh an verglichen mit heutigen Rechnern. Das Ding braucht auch etwa 1 Minute und 20 Sekunden zum Booten (mein nicht weiter optimiertes Arch Linux braucht derzeit 9 Sekunden). Gewöhnt man sich trotzdem schnell dran. Damals war das sowieso normal und in Ordnung. Und wie schon gesagt, auch wenn ich auf meinem modernen Rechner die Festplatte benutze, wird alles furchtbar lahm: Ein ls -l in meinem ~/photos, was dann ~750 Verzeichnisse auflistet (nur die Namen, nicht die Inhalte), braucht hier bei kalten Caches 1.3 Sekunden. Festplatten sind wirklich fies.

Fixpaks und andere Patches

Das kleine „Netscape Navigator“ da auf dem Desktop? Ja, nee, das ist nicht installiert. Als Warp 4 rauskam, war der Netscape noch nicht so weit, daher ist das nur ein Werbe-Link.

Man kann den Netscape natürlich manuell installieren, aber so leicht läuft der nicht. Viele Programme gehen nicht, weil man erst noch „Fixpaks“ braucht, also Systemupdates. Hier gibt’s mehr Infos zu denen.

Da habe ich dann aufgehört. Das ist nicht 100% trivial und macht mir vielleicht meine ansonsten saubere Installation kaputt. Das will ich erstmal in einer QEMU VM ausprobieren.

Es gibt auch noch einen riesigen Haufen an Patches und Updates unter OS/2 World. Uff. Ich kann mich nicht erinnern, das in den 1990ern alles installiert gehabt zu haben. Braucht man vielleicht nur für neuere Software. Da warte ich erstmal ab und schaue, was wirklich notwendig ist.

Abschließend

So, das war die Basisinstallation. Da laufen noch keine echten Programme. Fixpaks auch nicht. Das kommt als nächstes. Außerdem will ich die Sprachsteuerung noch ausprobieren. Jup, mit Warp 4 konnte man mit dem Computer „reden“! Das hatte auch durchaus eine ganze Ecke besser funktioniert als das von Windows Vista, was etwa 10 Jahre später erschien. Dazusagen muss man aber, dass man die Spracherkennung von OS/2 erstmal „trainieren“ musste, was furchtbar lange dauert – keine Ahnung, ob das bei Vista auch notwendig war. Vielleicht erinnere ich mich auch falsch und eigentlich war es bei OS/2 auch schlimm. Deswegen will ich’s nochmal probieren.

Ich muss dann auch mal schauen, ob ich noch weitere Disketten oder Diskettenimages mit alter OS/2-Software drauf finde. Da gibt es natürlich viel im Netz, aber ob das legal ist, wage ich zu bezweifeln, also suche ich erstmal weiter in den Kellern der Familie.

Oh und noch etwas: Das macht zwar einen Heidenspaß, mit so alter Software zu spielen, und man denkt da auch ganz schnell, es habe sich in den letzten 25 Jahren gar nix geändert: Die Desktop-Metapher war damals auch schon völlig normal (kommt ja auch vom Xerox PARC aus den 1970ern), gescheites Multitasking gab’s, Netzwerk. Genau wie heute. Aber man lernt trotzdem das heutige Linux und die BSDs wirklich zu schätzen. Viele Prinzipien sind zwar gleich geblieben, aber das hat sich alles dramatisch weiterentwickelt und ist sehr viel besser geworden. Da darf man sich von der Nostalgie nicht verwirren lassen.

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